im September 2022
An die evangelischen Religionslehrerinnen und Religionslehrer an beruflichen Schulen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein neues Schuljahr hat begonnen und ich hoffe, dass Sie es mit Energie und Lust haben anfangen können. Ja, dass Sie sich freuen auf den Religionsunterricht, den Sie in diesem Schuljahr erteilen werden. Vielleicht stellen Sie aber auch fest, dass der Religionsunterricht heute noch mehr gute Argumente braucht, die ihn plausibel machen und seine Unverzichtbarkeit untermauern.
Der Soziologe Hartmut Rosa vertritt in seinem kleinen Büchlein „Demokratie braucht Religion“ [H. Rosa, Demokratie braucht Religion, München, 2022⁵] die These, dass „die Antwort auf die Frage, ob die heutige Gesellschaft noch der Kirche oder der Religion bedarf“, nur mit „Ja!“ beantwortet werden kann.
Seine Sicht fußt zum einen auf einer kritischen Analyse der heutigen Gesellschaft. Sie lebe mit dem Widerspruch, dass sie „gezwungen ist, sich permanent zu steigern, zu beschleunigen, sich voranzutreiben“, aber den Sinn dieser zwanghaft gewordenen Beschleunigung nicht mehr einsieht, was sie und viele ihrer Mitglieder in ein „Burnout“ treibe und zu einem Lebensgefühl führe, das von „rasendem Stillstand“ geprägt sei. Zudem stifte diese Logik des „immer mehr, immer schneller“ ein „Aggressionsverhältnis zur Welt“, mit der Folge, dass politisch Andersdenkende zu „Feind*innen“ werden, die „man zum Schweigen bringen muss“. Demokratie aber funktioniere „im Aggressionsmodus nicht“.
Demokratie erfordert Stimmen, Ohren und hörende Herzen. Es sei deshalb von zentraler Bedeutung, ein „anderes Weltverhältnis“ zu entwickeln, ein Weltverhältnis, das auf „Resonanz“ beruht. Ein Weltverhältnis, das dazu führe, dass Menschen mit dem „weiter so!“ aufhören und wieder bereit sind, einander wirklich und in der Tiefe zuzuhören. Demokratie brauche „hörende Herzen“ und die Bereitschaft, dass ich „mich anrufen und erreichen lasse von etwas anderem, von einer anderen Stimme, die etwas anderes sagt“. Dass es dazu kommt, lasse sich allerdings nicht er-zwingen, sondern sei „unverfügbar“.
Die vier Kirchen in Baden-Württemberg laden im Herbst 2023 zu zahlreichen Veranstaltungen zur gesellschaftlichen Bedeutung von Religion ein unter dem Stichwort „EGAL?“ (https://egal.ekiba.de/), die sich mit Fragen wie den folgenden beschäftigen:
- Kann es einer Gesellschaft egal sein, ob Religion und religiöse Praxis öffentlich geäußert, gelebt und gebildet werden können?
- Kann es für Bildung egal sein, ob religiöse Bildung ein Teil des allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrags im Fächerkanon der Schulen ist und bleibt?
- Kann es für ein friedliches und einvernehmliches Zusammenleben von Menschen ver-schiedener religiöser Überzeugungen egal sein, ob sich Religion selbstkritisch und reflek-tiert zeigt und die Verschiedenheit von Religionen in einer vielfältigen Gesellschaft wert-schätzend anerkennt?
Es ist ja keineswegs egal, wie wir die Welt und die Wirklichkeit sehen, anschauen und deuten. Ich füge hinzu: Um der Unverzichtbarkeit der religiösen Bildung willen ist der Religionsunterricht unverzichtbar. Bildung ohne Religion ist unvollständig, Religion ohne Bildung gefährlich. Der Religionsunterricht, der mit Jürgen Baumert gesprochen einem spezifischen Modus der Weltbegegnung verpflichtet ist [Vgl. dazu: J. Baumert, Deutschland im internationalen Bildungsvergleich, http://www.gaebler.info/pisa/baumert.pdf (aufgerufen 14.08.2023)], nämlich dem, der sich mit Problemen konstitutiver Rationalität auseinandersetzt und damit mit Grundfragen und Grunddeutungen des Lebens. „Wer bin?“ „Wohin gehen wir?“ „Wozu lebe ich?“, ist wichtiger denn je.
Sie, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, setzen dies Tag für Tag um in guten Religionsunterricht, der die Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellt und sich mit Ihnen gemeinsam auf die Suche macht, was heute in dieser Welt trägt, Orientierung gibt und Zuversicht vermittelt. Ich danke Ihnen sehr für all Ihren Einsatz und Ihr großes Engagement für die Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht an beruflichen Schulen.
Auch in diesem Jahr kann ich Sie auf eine Fülle von Informationen, Veranstaltungen und Fortbildungen hinweisen, die Sie über diesen Link finden:
https://www.taskcards.de/#/board/1c42b7e2-d686-422d-8901-6f38e1af8740
1. Personalia
Zum Ende des Schuljahres 2022/2023 ist Harald Schober, Fachberater am Regierungspräsidi-um Tübingen, in den Ruhestand gegangen. Wir danken ihm für sein großes Engagement für den BRU, für die Kolleginnen und Kollegen und insbesondere für die Schülerinnen und Schüler der beruflichen Schulen.
Zu diesem Schuljahr wurde Katrin Stickel als Nachfolgerin für Harald Schober zur Fachberaterin in der Schulaufsicht am Regierungspräsidium Tübingen bestellt. Sie unterrichtet an der Friedrich-List-Schule in Ulm. Wir freuen uns, dass Katrin Stickel diese Aufgabe über-nommen hat, und wünschen ihr alles erdenklich Gute und Gottes Segen für ihr neues Amt.
2. Abitur 2025
Alle Informationen zum Abitur 2025 sind hier zu finden: bru-wue.de/abiturpruefungen-2025
3. Die Musterprüfungsaufgaben zum neuen Abitur ab 2024 finden sich hier:
https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/berufliche-schularten/berufliches-gymnasium-oberstufe/musterpruefungsaufgaben-neue-bildungsplaene-abitur-2024
4. Der Zugriff auf alte Abi-Prüfungen ist aus rechtlichen Gründen nur passwortgeschützt möglich: Deshalb sind diese Dateien in der BRUcloud abgelegt und über die im Rundbrief kommunizierten Zugangsdaten abrufbar (bitte nur an Reli-Kolleginnen und -Kollegen weitergeben, nicht öffentlich und nicht an Schülerinnen und Schüler, vielen Dank).
https://bru-wue.de/aufgaben
Sehr gerne dürfen Sie sich an mich (Tel. 0711/2149-297), an Frau Illi (Tel. 0711/2149-217) oder an Frau Geiger im ptz (Tel. 0711/45804-74) wenden, wenn Sie Ergänzungen oder Fragen haben.
Ich wünsche Ihnen viele gute Erfahrungen und Entdeckungen im neuen Schuljahr zusammen mit Ihren Schülerinnen und Schülern. Bleiben Sie zuversichtlich und behütet.
Herzliche Grüße auch im Namen von Frau Illi